3. Januar 2013

Der Zahn ist futsch

Als ich neulich Herrn Sohnemann von der Schule abholte, kam er mir im Flur entgegen, blutüberströmt.
Das Blut klebte ihm auf den Lippen, zwischen den Zähnen und rann ihm aus dem Mundwinkel - ein übler Anblick!
 
Ich ganz erschrocken: "Oh-je, was ist denn mit dir passiert?"
 
Seine Lehrerin, die ihn etwas hilflos am Arm hielt, antwortete:
"Äh ja, das war so: er hat sich gerade in der Garderobe mit einem Freund gebalgt (= Rauferei nur so zum Spaß) und dabei wurde ihm der Schneidezahn ausgeschlagen. Es blutet aber ganz schön dolle, oder?"
 
Ich daraufhin erleichtert: "Ach so, das war der Wackelzahn! Der hing nur noch am seidenen Faden - wir wunderten uns schon, warum er nicht längst rausgefallen war!"
 
Ich schnappte den kleinen Vampir und wusch ihm auf der Schultoilette das Blut aus dem Gesicht. Schon sah das Ganze nur noch halb so schlimm aus. Ich fragte ihn, ob es weh täte, er sagte nein.
 
Wir gingen also zur Garderobe zurück (alle Kinder waren bereits abgeholt worden, oder zum Essen in der Mensa)um Jacke und Schuhe anzuziehen und nach Hause zu fahren.
 
Plötzlich brach Herr Sohnemann in Tränen aus.
 
Ich so: "Hast du jetzt doch Schmerzen? Sollen wir zum Zahnarzt fahren?" und nahm ihn in den Arm.
Doch er stammelte ganz verzweifelt: "Nein, mir tut nix weh! Aber mein Zahn ist weg! Ich wollte ihn doch aufheben! Er müsste hier irgendwo auf dem Boden liegen - wir müssen ihn suchen!"
 
"Also ehrlich!", rief ich empört. "Ich möchte gerne nach Hause. Ich habe Mittagessen gekocht und Hunger und werde jetzt bestimmt nicht auf allen Vieren auf dem dreckigen Boden rumrutschen um einen Milchzahn zu suchen!"
 
***
 
Anschließend rutschte ich eine halbe Stunde auf allen Vieren auf dem dreckigen Fußboden einer Schulgarderobe herum und suchten zwischen matschigen Gummistiefeln und miefigen Hausschuhen, zwischen Pausenbrotbröseln und Kaugummis, zwischen klebrigen Saftflecken und Kieselstreu (es hatte geschneit und die Gehwege waren gestreut worden) nach einem kleinen, winzigen weißen Milchzahn.
Vergebens!
 
Schluchzend und heulend stand Herr Sohnemann neben mir und rotzte all seinen Weltkummer heraus. Ich kann mich nicht erinnern, ihn jemals verzweifelter gesehen zu haben.
 
Nach 30 Minuten verlor ich endgültig die Geduld und meinte:
"Weißt du was? Ich glaube, dass der Zahn in Deinem Bauch gelandet ist. Wahrscheinlich hast du ihn versehentlich verschluckt, und wenn ich noch bis heute Abend hier herumkrieche, werde ich ihn trotzdem nicht finden!"
 
Elend und Pein!
 
***
 
Ob ich ihn am Ende trösten konnte?
 
Ja, indem wir loszogen, und eine kleines, winziges Döschen aus Metall besorgten, auf der ein Zahn mit Gesicht abgebildet ist *klick*. Dieses wartet nun daheim in seinem Setzkasten auf den nächsten Wackelzahn.
Der wird bestimmt nicht verschluckt, der wird aufgehoben!
Ich habe es ihm versprochen.

3 Kommentare:

  1. ach, was ich dich verstehe.Und an den Sohnemann:Vergiss nicht, deine Mama ist die Beste!

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  2. Ach der Ärmste , aber ich denke es gibt schlimmeres , lach . Es ist gut das es nur der Milchzahn war . Liebe Grüsse Heike

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  3. Ach Gott. Tut mir sehr leid um den Zahn! Bei der Arbeit hatte ich vor kurzem auch erst so einen Fall. Ein im Wald gesammelter Stein verschwunden im Abfluss. "Wir finden einen anderen!" ... Bitterlich geweint hat der Junge. Und es tat mir SO leid. Ich habe den Stein, nach 23 Minuten, mit ROHRZANGE (vorher NIE benutzt, gerettet. Dein Sohnemann tat mir beim lesen so leid! Tolle Mama! Gut gemacht! :)

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